Scrum im Deutschunterricht - auf zu neuen Ufern?

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Zur Genese:

Die Zeit war nie reifer als heute, um über Schul- und Seminarentwicklung, Menschenbildannahmen der an den Systemen Beteiligten und über neue Möglichkeiten des Lernens sowie nötige Veränderungen der Prüfungskultur zu sprechen. Jüngste Veröffentlichungen*, zahlreiche Fortbildungsangebote und niedrigschwellige Austauschformate, die Gründung des Instituts für zeitgemäße Prüfungskultur und die lebhaften Diskussionen im #twitterlehrerzimmer zeugen davon. Der Trend geht von der Digitalisierung zur Digitalität, unter deren Bedingungen auch Lernwege und Bildung neu gedacht werden sollten.**

Auf der Suche, die Lernwege meiner Schüler:innen, aber auch meiner Referndar:innen vielfältig zu pflastern, stieß ich auf agile Unterrichtsverfahren und damit auch auf

Scrum:

Förderung der Schüler:innenselbsttätigkeit und Individualisierung im Fachunterricht prägen mich in meinem Nachdenken über guten Unterricht nachdrücklich. Lernumgebungen so anzupassen, Gegenstände so auszuwählen und gleichzeitig genügend offen für manchmal auch unerwartete Lernwege der Schüler:innen*** zu sein, das sind sicher ebenfalls Kennzeichen einer agilen Lernkultur.

Scrum ist eine solche agile Methode auch für den Bildungsbereich, die zusätzlich Aspekte der Teamarbeit, der Prozessorientierung und des Feedforwards berücksichtigt und dabei die Verantwortung auf die Lernenden überträgt. Statt im Gleichschritt mit 30 Mitlernenden auf ein Ziel hinzuarbeiten, kennen die Schüler:innen, die in kleinen Teams (drei bis sechs Mitglieder) mit klarer Rollenverteilung kooperieren, das Endprodukt und die Akzeptanzkriterien. Sie erarbeiten die nötigen Teilergebnisse in mehreren festgelegten Arbeitsschleifen (Sprints) und mit klar definierten Ereignissen selbstorganisiert. Regelmäßiges Feedforward und Möglichkeiten zur Überarbeitung runden den Prozess ab. Dass in diesem Zusammenhang Fehler eine Chance bieten und die Verbesserung im digitalen Raum auch leichter, auch kollaborativer und selbstverständlicher wird als auf dem Blatt Papier, ist gerade in unserer Erwachsenengesellschaft eine nicht zu unterschätzende Erkenntnis.

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Ja, Schülerorientierung wird hier großgeschrieben und ist dabei alles andere als Spielerei. Die Methode setzt von uns Lehrenden im Vorfeld das Einziehen sogenannter Eckpfeiler voraus: Die Ausarbeitung und Nennung des Themas und das Ausweisen der Kompetenzen, die Konzeption des Endprodukts und die Auflistung der Akzeptanzkriterien. All das zielt auf Transparenz von Anfang an. Wir klären also, was warum gemacht wird. Das „Wie“ bleibt agil und in Schüler:innenhand.

Hier mein editierbares Material zur Ein- und Durchführung im Allgemeinen:

Obwohl es relativ viele Informationen über die Methode und über die Idee, Scrum in die Schule (großartig: Tom Mittelbach als Herausgeber des gleichnamigen Book-Sprint-Projektes) zu bringen, gibt, finden sich nach meinem Kenntnisstand noch wenig veröffentlichte Überlegungen zum Einsatz im Fachunterricht und zur Anbindung der Methode an Gegenstände und (konkrete) Lerngruppen. Eine solche (auch digitale) Grundlage wäre doch wünschenswert. Nicht um Aufmerksamkeit und Herzchen in den sozialen Netzwerken zu erlangen, sondern um vernetzt und sachbezogen über Chancen und Gefahren zu reflektieren und zu diskutieren.

Scrum im Deutschunterricht - (m)ein erstes Beispiel:

Klasse 9 (G8)

Crime-Boom: Warum faszinieren Verbrechen Menschen? Verbrechen werfen Fragen auf!

Das Verbrechen und die Aufklärung eines Verbrechens in einem Krimi analysieren, die Ergebnisse in einem Podcast im Stil „Zeit Verbrechen“ produzieren und die Leitfrage abschließend diskutieren.

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Die Schüler:innen lernen Kriminalgeschichten oder Krimis der besten Sendezeit kennen (Tatort, Polizeiruf 110, Wilsberg) und bereiten die Handlungen (das Verbrechen und die Aufklärung) inhaltlich so auf, dass sie darüber in einem Podcast berichten. Inhaltsangaben, Charakterisierungen und die dazugehörige Besprechung in selbsterstellten Podcasts - das ist bestimmt nicht sonderlich neu.

Wann und wie kann dieses Thema aber „echter“ werden und die Lebenswelt meiner Schüler:innen berühren? Hierzu habe ich zwei thematische Leitplanken formuliert, zwischen denen sich das prozessorientierte Unterrichtsvorhaben und die dazugehörigen Sprints bewegen.

1. Die Tatsache, dass die derzeitige Medienlandschaft einen regelrechten Crime-Boom erfährt.

2. Den Vergleich zwischen „erwachsenen“ Formaten und den Crime-Stories, die die Schüler:innen auf Netflix u.a. begeistern.

Das didaktisch-methodische Fundament greift auf die Produktionsorientierung zurück, nutzt digitale Werkzeuge und macht sich vor allem aber ein echtes Vorbild zu eigen: Sabine Rückerts Podcast „Zeit Verbrechen“.

Der Anforderungsbereich III umfasst die text- bzw. medienimmanente Bewertung der Handlungen, die Diskussion, was hinter diesen Verbrechen steckt und welche gesellschaftlichen Fragen dadurch aufgeworfen werden. Auch der individuelle Reflexionsprozess hinsichtlich des eigenen und des Gruppenprozesses fließt hier mit ein.

Die gesamte Reihenplanung zu den Krimis inklusive Scrum-Prozess und einem Vorschlag zur Leistungsmessung in Klasse 9 findest du hier: Unterrichtsreihe.

Einladung zur Mit- und Weiterarbeit:

  1. Du hast Fragen zu dem Scrum-Board oder zu diesem Prozess in der 9a? Du möchtest ergänzen, hinterfragen oder Vorbehalte anführen? Bitte nutze die Kommentarfunktion oder schreibe mir eine Email:

    catrin (.) ingerfeld @ web (.) de

    Ich freue mich auf einen konstruktiven Austausch.

  2. Du möchtest Scrum ebenfalls im Deutschunterricht einsetzen? Du hast mit deinen Schüler:innen bereits agil gearbeitet? Du hast Interesse deine Ideen, dein Material oder deine Ergebnisse hier zu teilen und den Blog zu erweitern? Schreibe mir gern und wir besprechen alles Weitere.

  3. Scrum im ZfsL? Du hast Lust, in deinem FS oder KS einen Gegenstand mit dieser Methode erschließen zu lassen? Zum Beispiel zu Reihenplanungen oder Studienfahrten etc.? Du hast Lust und Zeit mit anderen FL und KL in einen Austausch über Scrum zu kommen? Gern würde ich diese Vernetzung für uns organisieren. Bitte schreibe mir gern dazu.


Maßgeblich inspiriert durch:
*Matthias Förtsch und Friedhelm Stöffler: Die agile Schule. 10 Leitprinzipien im Zeitalter der Digitalisierung. Hamburg: AOL 2020. - Uta Hauck-Thum und Jörg Noller (Hg.): Was ist Digitalität? Philosophische und pädagogische Perspektiven. Berlin: Metzler 2021 - Tim Kantereit (Hg.): Agilität und Bildung. Ein Reiseführer durch die Welt der Agilität, https://visual-books.com 2020.

**Exemplarisch sei auf die Online-Fortbildung im Studienseminar Potsdam und auf die Beiträge Hauk-Thums, Krommers, Mihajlovićs sowie Wampflers verwiesen: Padlet zum Thema „Schule nach Corona“.

***Zuletzt von Niels Winkelmann in seinem Blog gefragt: Was, wenn sie schon alles wissen?

Meine Boards unterstehen der Creative Commons Lizenz CC BY SA 4.0. Die Vorlagen sind kopier- und veränderbar und so auf die jeweilige neue Lerngruppe anpassbar. Drücke dazu links neben Datei auf das Symbol und kopiere es dann.

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