Läutet „Die Flexible Oberstufe“ den Paradigmenwechsel ein? Ja, bitte!

Am 24.09.2021 twitterte Jöran Muuß-Merholz (Agentur „Jöran und Konsorten“), dass eine mir bis dahin nur vordergründig bekannte Initiative (#flexibleOberstufe) am 01.10.2021 in einer Bundespressekonferenz und live auf Twitter Forderungen vorstellen werde, wie die Oberstufe und das Abitur in Deutschland reformiert werden könnten. Erst wenige Wochen zuvor machte mich Luigi Giunta, Schulleiter aus Mönchengladbach, mit dem ich seit einer gemeinsamen Staatsprüfung über Visionen, Agilität, Chancen und Vernetzung spreche, auf diese Überlegungen aufmerksam. Angesichts meines Interesse an „Die agile Schule: 10 Leitprinzipien für Schulentwicklung im Zeitalter der Digitalisierung“ von Matthias Förtsch und Friedemann Stöffler solle ich mich doch einmal hierzu schlau machen. Sicher gefiele mir das Thema „Abitur im eigenen Takt" und das Forum der „Deutschen Schulakademie“. Auch gäbe es dazu zeitnah einen Sammelband zum Thema.

Okay, der Sammelband ist jetzt da. Aber: Angekündigt auf einer Bundespressekonferenz? Für ganz Deutschland? Und ob!

Spätestens seit dieser etwa einstündigen Pressekonferenz der Initiative #flexible Oberstufe gehen nicht nur im #twlz Einschätzungen viral.

Auch ich bin Feuer und Flamme und mir mit meinem Freund und Kollegen Dominik Zuk, der die Oberstufe unserer Schule kommissarisch leitet und mit mir den Sammelband durchforstete, einig: So viel kann, das zeigen die vielfältigen Beiträge, möglich sein, wenn Blicke sich ändern, die Fachbezogenheit zugunsten der Fächerverbindung geöffnet sowie die Studien- und Berufsorientierung in den Schulalltag integriert würde. Das gilt auch für flexible Zeiten, Bänder und Lehrer:innenrollen, für die Individualisierung und die Integration digitaler Formate. Begeistert und begeisternd führten dazu auch die Sprecher:innen auf der Bundespressekonferenz aus. Hier ein paar Zitate in Auswahl:

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Wer sind diese Köpfe, die den politischen Rahmenbedingungen in ganz Deutschland den Kampf ansagen und uns auffordern, nicht nur Hintertürchen zu öffnen? Um den achtköpfigen Herausgeber:innenkreis (Stöffler, Droste, Fechner, Gembach-Röntgen, Grieben, Lehmann, Prühs und Thoma) ranken sich 21 weitere Autor:innen und eine unbekannte Zahl engagierter Mitdenker:innen und Gestalter:innen. Dadurch kann die respektable Arbeit verschiedener Schulen vorgestellt, modellhaft skizziert und an vielen Stellen mit Erfahrungsberichten der Beteiligten und Reflexionen abgerundet werden.

Die Visionäre und Visionärinnen, die sich in diesem Sammelband tummeln, schauen auf einen anerkennenswerten Prozess zurück, an dessen Wegesrand wir Leser:innen nun mitgenommen werden. In drei großen Kapiteln werden wir angeregt, nachzudenken, nachzumachen und uns über Schule und Hochschule hinweg zu vernetzen, um dem Ansinnen mehr Stimme zu geben:

Kapitel 1: Gestaltungsspielräume zur Flexibilisierung in der Oberstufe (S. 18-106),

Kapitel 2: Die Vision einer wirklich flexiblen Oberstufe (S. 107-156),

Kapitel 3: Schulentwicklung und Flexibilität (S. 157-179).

An vielen Stellen heben die Verfasser:innen deutlich hervor, dass in Deutschland die Reglementierungen im weltweiten Vergleich sehr eng seien. Man erhoffe sich mit diesem Sammelband und mit der Initiative ein deutschlandweites Forum. Bleibt zu sagen, dass sich der Sammelband wie eine Einladung in dieses Forum liest. Gewollter scheint unsere Mitarbeit noch nie gewesen zu sein.

Die Forderungen sind völlig klar, werden pointiert und selbstbewusst formuliert: „Zum Schluss: Sieben Forderungen für eine flexible Oberstufe“ (S. 180f.):

  1. Selbstverantwortliche Schüler:innen

  2. Agile Strukturen für Innovation

  3. Bundesweites Bildungsforum

  4. Flexible Wege zum Abitur

  5. Persönlichkeitsbildung und Begabungsförderung

  6. Vernetztes und projekthaftes Lernen im Regelbetrieb der Oberstufe

  7. Freiräume zur gemeinsamen zukunftsorientierten Schulentwicklung.

Diese sieben Forderungen stellen nicht nur das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit dar. Deutlich wird durch diese auch die ihnen innewohnende Menschenbildannahme: Während viel zu häufig im bestehenden System auf Inhalte (derzeit sogar auf vermeintlich verpassten Stoff) gesetzt wird, schauen Stöffler und Co. in ihren Forderungen zuallererst auf den Hauptakteur: die Schülerin und den Schüler.

Diesen Forderungen schließe ich mich an. Es ist an der Zeit, begründet unbequem zu sein und zu bleiben. Das betone ich umso mehr, als dass ich vergangene Woche an einer Implementation zu Neuerungen im Abitur 2023 im Fach Deutsch teilnahm. Im öffentlichen Chat erfragte ich, ob kluge Ideen des Medienkompetenzrahmens in konzeptionelle Überlegungen für die Arbeit in der Oberstufe Einzug hielten und ob analog zur SI für die SII darüber nachgedacht werde, eine Klausur pro Jahr durch ein Alternativformat zu ersetzen. Machen wir uns nichts vor: Bis 2023 wird uns in NRW trotz der mutmachenden und wegweisenden Expertise des Instituts für zeitgemäße Prüfungskultur wenigstens in zentralen Prüfungen nicht aus dem Korsett geholfen - und wenn sie noch so sehr aus der Zeit gefallen sind.

Der Sammelband „Die flexible Oberstufe. Wie Schulen Freiräume schaffen und nutzen können“ ist voraussichtlich ab dem 13. Oktober 2021 verfügbar und für € 29,95 zu erwerben. Mit dem Kauf erwirbt man ein E-Book im PDF-Format.

Weiterführendes:

Beltz-Verlag

Flexible Oberstufe

Institut für zeitgemäße Prüfungskultur

Zeitgemäße Prüfungskultur in Skandinavien

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Agiles Lernen an Schulen - ein Wunderwerk? Nein, das kann jede:r!