Sprechen im Spanisch- und Französischunterricht: We need to talk.

In Englischstunden sehe ich regelmäßig Schüler:innen, die sich zu ihnen vertrauten Sachverhalten frei und spontan äußern, und zwar schon zu einem frühen Zeitpunkt in Klasse 5 oder 6. In Spanisch oder Französisch ist das anders: Im zweiten oder dritten Lernjahr sprechen die Schüler:innen häufig, wenn überhaupt, stark vorbereitet, stark notizgestützt und nicht spontan. Bei der Präsentation von z.B. einem Rollenspiel wird ein Aufschauen von den Notizen am Satzende oft schon als Fortschritt hin zum freien Sprechen betrachtet.

Moment! Englisch kann man doch nicht mit Spanisch oder gar Französisch vergleichen! Englisch ist allgegenwärtig und auch viel leichter erlernbar, viel näher am Deutschen und wird viel früher gelernt. Mag alles stimmen, entbindet uns aber nicht von der Pflicht, Wege zu suchen, die es ermöglichen, dass unsere Schüler:innen ebenfalls Sprechkompetenz aufbauen und zwar so, dass sie ohne ein Scaffolding-Arbeitsblatt ins Restaurant gehen können. Spoiler: Das geht nicht, indem man stundenlang Lückentexte ausfüllen lässt. Das geht auch nicht, indem man Monate wartet, bis die Schüler:innen soweit sind. Freies Sprechen lernt man durch freies Sprechen, lernt man durch freies Sprechen. Aber nun von vorne:


Sprechen vorbereiten

War es noch vor einigen Jahren ein Problem, dass der Redeanteil der Lehrkraft im FSU zu hoch war, so hat die Nutzung schüler:innenzentrierter Methoden im FSU dafür gesorgt, dass der Sprechanteil der Lernenden nun kontinuierlich steigt. Freies Sprechen wird angebahnt durch Tandembögen, Kommunikationskärtchen, Information-Gap-Übungen etc. und unterstützt durch Arbeitsblätter oder schick laminierte Kärtchen mit Vokabular und Gesprächsstrukturen. Ansätze wie das Jenaer Reformkonzept von Segermann werden dabei schon genutzt und das ist sinnvoll: Gerade Schüler:innen, die sich noch schwer tun, profitieren von lexiko-grammatischen Bausteinen mehr als von der -xten Grammatikwiederholung. So weit, so gut. Doch wie komme ich nun von recht stark gelenkten Übungen zu freiem Sprechen und zu längeren Äußerungen? Häufig geschieht das so: Schüler:innen schreiben einen Dialog, notieren Argumente o. Ä., verkürzen das ganze auf Stichpunkte und sprechen dann miteinander (oder was man so sprechen nennt). In der Vorbereitung auf das Sprechen wird also nicht das Sprechen geübt. Zudem besteht das Problem, dass SuS auf ihren Notizkarten immer noch ganze Sätze schreiben und diese dann ablesen. Eine weitere Variante ist die, dass die Schüler:innen vorgefertigte Dialogstrukturen und unterstützendes Vokabular erhalten, d.h. das Aufschreiben der Gedankenstütze erfolgt durch die Lehrkraft. Dies ist sicher eine sinnvollere Möglichkeit, denn so haben Lernende mehr Zeit zum Einüben. Ich beobachte häuftig, dass die Sprechförderung genau an diesem Punkt stehen bleibt: Schüler:innen haben einen Wust von Hilfskärtchen auf dem Tisch, die sie fleißig nutzen - der eigene Ausdruckswille und spontane Äußerungen bleiben auf der Strecke, Sprechen bleibt gelenkt und von der Lehrkraft ins Korsett gepackt. “Das können die Schüler:innen noch nicht.” “Die sind so gehemmt beim Sprechen, sie trauen sich das sonst nicht.”, diese Antwort erhalte ich meist auf die Frage, warum die Lernenden nicht ohne Hilfe und spontan sprächen. Das ist aus vielen Gründen traurig.


Schüler:innen etwas zutrauen: Die können das.

Wenn ich Schüler:innen nichts zutraue, dann trauen sie sich selbst nichts zu. Wenn sie immer nur mit Notizen / Hilfen sprechen, dann denken sie am Ende, dass sie es anders nicht können. Dabei möchten sie so gern: Wenn man Lernende fragt, was sie im FSU am liebsten machen möchten, dann ist das Sprechen. Wenn ich also mit ihnen gemeinsam das freie spontane Sprechen von Beginn (!) an in den Blick nehme, vorab Wortschatz und Grammatik erarbeite und sinnvoll übe, dann ist es auch nach Lektion eins im ersten Lernjahr möglich, spontan und frei zu sprechen. Die Schüler:innen haben in der Regel mindestens sechs Unterrichtsstunden mit z.B. den Redemitteln um sich vorzustellen verbracht! Trauen wir ihnen doch einfach mal zu, diese spontan zu nutzen. Dazu gehört natürlich eine Feedbackkultur, in der allen, auch den Lernenden, klar ist, dass sie eine Interimssprache sprechen, die (noch nicht) muttersprachlicher Kompetenz entspricht. Das muss sie auch nicht. Alle machen Fehler. Ich muss sie weder ahnden, noch personenbezogen korrigieren. Gerade dem Französischunterricht täte weniger Fehlerlupe und stärkere Ressourcenorientierung gut. Das entbindet mich sicherlich nicht von der Spracharbeit: sprachbezogene Phasen, während derer sprachlichen Korrektheit thematisiert wird, kann ich vor- und hinterherschalten. Vielmehr sollte hier im Vordergrund stehen, dass freies und spontanes Sprechen normal ist und immer wieder geübt wird. Am Anfang fällt das alles noch schwer, da wird nachgedacht, ausprobiert, wie etwas klingt, verworfen, neu ausprobiert. Diesen Raum muss ich Lernenden geben und das auch transparent machen. Gemeinsam können wir dann überlegen, was schon gut funktioniert hat und wie wir weiterarbeiten werden.

Schüler:innen im FSU nicht frei sprechen zu lassen und sie anstattdessen mit einer Fülle von Grammatik- und Wortschatzübungen, Vokabelblättern und sonstigen Hilfen zu überhäufen, ist wenig lernförderlich. Und wir wissen ja auch schon viel darüber, wie gute Sprechförderung funktioniert: Handlungsorientierung, Schüler:innenorientierung, Aufgabenorientierung sind nur einige Fachprinzipien, die dabei helfen können. Unsere Lehrer:innenrolle sollte wir dabei auch im Blick haben: Fehler machen dürfen, Umwege gehen, im eigenen Tempo lernen, Dinge erproben, das Gefühl, dies im Fremdsprachenunterricht zu dürfen, müssen wir Lernenden geben. Ob das e dabei einen Hut trägt, ist doch erst mal egal.






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Umgang mit Texten im Fremdsprachenunterricht: bitte digital.

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Eine Handvoll Überlegungen zu zeitgemäßem Fremdsprachenunterricht